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AutorenbildAngie

Silvester Märchen 2017

Das Jahr 2017 neigte sich dem Ende zu und ich hatte seit der letzten Begegnung kein Lebzeichen der Greifvögel im Park mehr vernehmen können. Vielleicht waren sie weitergezogen? Vielleicht war ihnen etwas passiert? Desto mehr Zeit verging desto pessimistischer wurden meine Gedanken. So auch am frühen Silvestermorgen. „Wenn es euch gut geht, dann zeigt euch mir doch heute nochmal. Das wäre so ein schöner Abschluss des Jahres!“ dachte ich, als ich auf dem Weg zum Bäcker war, um unsere Neujahrsbrezeln abzuholen. Müde schlenderte ich durch den Park und beobachtete das Treiben der Vögel um mich herum. „Hjjjäääh!“ Ich blieb stehen und verdrehte die Augen: “Ja sehr witzig, auf eure Scherze falle ich nicht mehr herein, ihr kleinen Biester!“ Im Glauben, dass mir die Eichelhäher einer ihrer beliebten Imitationen zum Streich spielten ignorierte ich die Mäusebussard-Rufe über mir.

„Hjääääääh!“ Ich blickte in die Richtung aus der die Rufe kamen und mein Herz machte einen Sprung als ich sah, dass ich diesmal nicht von den Eichelhähern getäuscht worden war. Über den Sportplatz in der Nähe eines Gymnasiums, welches neben dem Park lag zog eindeutig ein Bussard seine Kreise. Ein Foto konnte ich nicht von ihm schießen, dazu reichte die Brennweite des Objektivs nicht aus. „Guten Morgen…“ rief ich nach oben und nahm mir vor, gegen 13 Uhr nochmal nach dem Vogel Ausschau zu halten. Mein Gefühl sagte mir, dass ich Glück haben könne. Außerdem wollte ich so oder so noch etwas Spazierengehen und meine Oma anrufen. „Hjäääh!“, mir kam es so vor als würde der Mäusebussard mir antworten, aber das war natürlich mehr als unrealistisch.

„So ich bin hier, jetzt musst du aber auch vorbeikommen!“ dachte ich, als ich am Mittag mit meiner Kamera und meinem Smartphone bewaffnet zurück in den Park eilte. Während ich mit meiner Oma telefonierte ließ ich die Vogel-Welt keine Sekunde aus den Augen. Meine Füße liefen zielorientiert zum Sportplatz und in mir zog eine seltsame Unruhe auf. Meiner Oma nur halbherzig zuhörend, betrachtete ich jeden Baum genauestens. „Das neue Jahr wird sicherlich schöner werden, Oma…“ antwortete ich und mein schlechtes Gewissen wuchs, weil ich längst den eigentlichen Gesprächsfaden verloren hatte und in diesem Augenblick sah ich ihn: Er saß relativ niedrig auf einem Baum, mir den Rücken zugewandt und beobachtete ein Fußballspiel welches auf dem Sportplatz abgehalten wurde. Kinderrufe, Trillerpfeifen, all diese Geräusche hielten ihn nicht davon ab, zuzusehen. „O-oma… Ich muss auflegen, tut mir leid. Ich muss jetzt auflegen, hier sitzt grade der Mäusebussard im Baum, den ich heute früh gesehen habe. Sei mir nicht böse!! Sei nicht böse, aber ich möchte ein Foto von ihm machen. Komm gut ins neue Jahr, ich habe dich lieb!“ Sie antwortete mir, aber da legte ich bereits auf. „Das gibt’s doch nicht!“ murmelte ich und richtete die Kamera auf den Vogel. Eltern mit Kindern rannten an mir vorbei, denn im Park war aufgrund des guten Wetters einiges los und dennoch, der Bussard blieb sitzen. Seinen Blick aufmerksam aufs Spielfeld gerichtet. Das erste Foto entstand:



Trotz das er mich sah, flog er nicht davon...

Wie man auf dieser Aufnahme sehen kann, hatte der Bussard mich längst bemerkt. Knappe 5-10 Meter trennten uns voneinander, als dieses Bild entstand. Vorsichtig machte ich mich auf den Weg zur gegenüberliegenden Parkbank, um mehr Distanz zu dem Vogel aufzubauen. Immerhin wollte ich ihn nicht verjagen oder belästigen, - nein ich wollte ihn beobachten und herausfinden wie lange er dem Treiben auf dem Sportplatz noch zusehen würde. Ich nahm Platz und richtete den Blick auf den Vogel. Passanten, in Begleitung von Hunden, näherten sich uns und ich vermutete, dass der Bussard nun das Weite suchen würde. Fehlanzeige. Er blieb sitzen. „Unglaublich…“ flüsterte ich. Die Greifvögel in diesem Park waren die Gegenwart von uns Menschen eindeutig gewohnt, alles andere machte keinen Sinn. Wie lange der Bussard wohl schon hier lebte?

Ein Mäusebussard der sich für Fußball interessierte, das war schon etwas verrückt. Plötzlich ein lauter Knall, ich zuckte zusammen und der Bussard folg panisch davon. Mit Wut im Bauch stellte ich fest, dass sich ein paar Meter von uns entfernt eine Gruppe von Jugendlicher einen Spaß draus machten Silvesterknaller ins Gebüsch zu werfen. „Respektloses Pack!“ fluchte ich und in mir wuchs eine mir bisher fremde Sorge: Wie überstehen die Greifvögel, aber auch die restlichen Tiere den heutigen Tag?

Verärgert stand ich auf und schlenderte in die Richtung in die der Mäusebussard geflogen war. Warum konnten die Jugendlichen ihre dämlichen Silvesterknaller nicht auf der Straße benutzen? Das hier war schließlich ein Park! Hier sollte man die Natur und ihre Bewohner schätzen und nicht verängstigen. „Keine Sorge, ich verspreche dir, ich räume hier morgen alle möglichen Gefahren aus den Bäumen und vom Boden weg!“ rief ich dem Bussard in Gedanken zu und blickte nach links, da ich das Gefühl hatte beobachtet zu werden. „Oh…“ Der Bussard sah mir direkt in die Augen und ich ihm. Weit davon geflogen war er nicht, bloß etwa 10 Meter seines vorherigem Ansitzplatzes entfernt. Wir starten uns an. Ich war bewegungsunfähig geworden. Sein weiser Blick bohrte sich in mein Hirn. „Wieso schaust du mich so an?!“ flüsterte ich und fragte mich, ob es in Ordnung wäre, wenn ich eine Momentaufnahme machen würde? Er neigte den Kopf nach links und schien mein Gesicht genauestens zu studieren. Vorsichtig richtete ich das Objektiv meiner Kamera auf ihn: „Keine Angst, ich möchte dich nur fotografieren, um meinen Mitmenschen von dir erzählen zu können, ich tue dir nichts!“ Folgende Aufnahme beweist, dass der Bussard sich meiner Gegenwart nur allzu bewusst war. Er blickte direkt in das Objektiv als es entstand:



Mäusebussard beobachtet mich!

„Er ist wunderschön!“ dachte ich, als ich die Kamera sinken ließ und etwas Abstand von ihm suchte. Da ich bereits drei Aufnahmen von ihm gemacht hatte wollte ich es dabei belassen. Ich hatte schließlich bekommen was ich wollte: Einen Jahresabschluss in der Gegenwart der Greife. Also machte ich mich auf den Weg nach Hause, als ich ein Rascheln über mir vernahm. Ich blickte nach rechts, auf das eiserne Tor des Sportplatzes, aber dort befand sich nichts. Vielleicht im Baum? Also richtete ich meinen Blick etwas weiter nach oben und kam in diesem Moment vom Glauben ab. „Du folgst mir?!“ fragte ich erstaunt. Der Bussard saß keine 3 -5 Meter von mir entfernt auf einem Ast. Eigentlich hätte ihn jeder der Leute die an uns vorbeigingen wahrnehmen können, aber nein. Nein, niemand bemerkte ihn.

Niemand.

Ich schüttelte den Kopf, waren sie alle blind? Der Bussard blickte mich weiterhin an und ich nutze die Gunst des Augenblicks diesen Moment für die Ewigkeit festzuhalten:



Dieser wissende Blick...

Mir kam es so als wollte er sagen: „Ich kenne dich schon lange und ich vertraue dir!“ Überfordert, gerührt und zutiefst verwirrt wusste ich nicht ob ich nach Hause gehen oder bei dem Vogel bleiben wollte. „Das glaubt mir doch niemand, wenn ich das erzähle!“ dachte ich und musterte das Gefieder des Bussards. Ich prägte mir die Zeichnungen auf seiner Brust und seines Bauches ein, in der Hoffnung ihn in der Zukunft wieder erkennen zu können, sollte er sich mir noch einmal zeigen. „Weißt du was? Ich nenne dich Marabou!“ sagte ich zu ihm und sah ihm fest in die Augen. Er richtete den Blick gen Himmel und beobachtete anscheinend die Wolken, die sich verzogen. Die Sonne schien auf ihn herab und ich wusste, dass ich nun die einmalige Gelegenheit für ein Top-Foto von ihm hatte. „Sei nicht böse, aber du siehst nun mal grade ganz besonders schön aus!“ „Klick“ und das Foto ward geschossen:



31.12.2017: Ein stolzer und vor allem entspannter Mäusebussard

Glücklich betrachtete ich immer und immer wieder das Bild. Der Bussard war so unglaublich schön und stolz. Marabou sah aus, als hätte er genau gewusst was ich tat. Wie als hätte er mit purer Absicht für mich posiert. „Danke dir!“ dachte ich und entschloss mich dazu eine kurze Videoaufnahme von ihm zu machen. Es sollte zukünftig als Beweismaterial dienen, denn dieses Erlebnis würde mit Sicherheit auf den ein oder anderen Menschen dem ich davon berichtet unglaubwürdig erscheinen. Aber es war real. Marabou war real, er war echt und auch der minimale Abstand den er zu mir hielt, war keine Einbildung.

Ich dachte an mein kleines Gebet am frühen Morgen, an mein Hoffen das Jahr 2017 mit einer solchen Begebenheit beenden zu dürfen und merkte, dass ich mich emotional hart am Limit befand. Wieso folgte mir dieser Mäusebussard? Warum saß er dort, als wäre es selbstverständlich? Wieso strahlte die Sonne ihn ausgerechnet jetzt in diesem Moment so perfekt an? In all den Jahren in denen ich so etwas wie eine höhere Macht immer wieder belächelt hatte musste ich mir eingestehen, dass ich diese Macht nun überdeutlich fühlte. Das war mit Sicherheit ein Geschenk von Oben an mich. So musste es einfach sein. Mich selbst auslachend packte ich mir an die Stirn. „Unsinn!“ sagte ich laut und Marabou blickte mich erneut sehr intensiv an, wie als habe er sagen wollen: „Das ist kein Unsinn!“

Den restlichen Silvester- Nachmittag verbrachte ich damit, die entstandenen Fotos von Marabou zu ordnen und auf Social-Mediaplattformen hochzuladen. Später am Abend zog ich immer noch Energie und Freude aus dem Erlebnis und nahm mir für das Jahr 2018 vor weiterhin Ausschau nach den Greifvögeln zu halten. Kurz darauf erstellte ich eine Liste, um einen Überblick über meine Ziele zu behalten:


1. Ungefähre Anzahl der Habichte und Bussarde im Park herausfinden

2. Januar-März 2018: Ausschau nach balzenden Habichten halten

3. Den Park sauber halten

4. Ausschau nach Rotmilanen halten

5. In den Königsforst fahren und Fotos von seltenen Vögeln machen

6. Nach Turmfalken Ausschau halten

7. Fachlektüre über Greifvögel kaufen


Ich war bereit, das Jahr 2018 konnte kommen, so viel stand fest und als die ersten Silvester-Raketen in die Höhe schossen dachte ich fest an Marabou: “Ich werde auf euch aufpassen, versprochen!“



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